Geruchsgesteuertes Verhalten
Die Insekten-Verhaltensgruppe untersucht, wie Gerüche das Verhalten von so unterschiedlichen Tieren wie Essigfliegen, Sphingid-Motten und Wüstenameisen beeinflussen. Wir interessieren uns vor allem für die Valenz von Gerüchen, d.h. ob und warum ein Geruch für ein Tier eine positive oder negative Bedeutung hat. Wir versuchen, die evolutionäre und ökologische Logik zu verstehen, mit der ein Insekt seine chemische Umgebung entschlüsselt. In Bezug auf Drosophila haben wir viele ökologisch relevante Substanzen (z.B. Sex-, Nahrungs- und Feindgerüche) identifiziert, wie sie von der Nase der Fliege erkannt werden, wo sie im Gehirn verarbeitet werden und - am wichtigsten - auf welche Weise sie das Verhalten der Fliegen beeinflussen. Bei Fliegen, Motten und Ameisen versuchen wir mit drei Ansätzen, die Grundprinzipien des Geruchsinns zu verstehen:
1. Evolutionärer Ansatz
Die Essigfliege Drosophila melanogaster ernährt sich, paart sich und legt ihre Eier auf verfaulten Früchten ab. Viele der Verhaltensweisen der Fliege werden durch Gerüche von Früchten und Hefe gesteuert. Dedizierte neuronale Schaltkreise erkennen diese Gerüche und steuern das Verhalten. Nahe Verwandte der Essigfliege leben jedoch auf so unterschiedlichen Lebensräumen wie Tierkot, grünen Blättern oder unreifen Früchten (Keesey et al. J.Chem.Ecol. 2015, Press Release, Dweck et al. PNAS 2015). Welche Veränderungen im Geruchssystem sorgen dafür, dass diese Fliegen so unterschiedliche Gerüche bevorzugen? Neue Techniken zum Targeting von Genomen von Nicht-Modellorganismen (z. B. CRSIPR/Cas) erlauben es uns, die neuronalen Schaltkreise von eng verwandten Arten zu vergleichen, die sich in ihren olfaktorischen Präferenzen drastisch unterscheiden.
Wir haben kürzlich das erste Drosophila-Pheromon identifiziert, das die Paarung verstärkt (Dweck et al. PNAS 2015 und zur Pressemitteilung) und konnten zeigen, dass Fliegen diese Pheromone in ihrem Kot verteilen (Keesey et al. J.Chem.Ecol. 2016, Pressemitteilung). Derzeit untersuchen wir die Vielfalt der Sexual- und Aggregationspheromone in mehreren anderen Drosophila-Arten.
2. Neurophysiologischer Ansatz
Insekten und andere Tiere müssen oft entscheiden, ob sie sich einer Geruchsquelle nähern sollen oder nicht, sei es Nahrung oder ein potenzieller Partner. Da dieses Verhalten vom Gehirn gesteuert wird, untersuchen wir mögliche Korrelationen zwischen der Gehirnaktivität und dem Verhalten des Insekts. Basierend auf räumlich getrennten Aktivitätsmustern im ersten Geruchsverarbeitungszentrum, dem Antennallappen, konnten wir vorhersagen, ob ein Geruchsstoff für die Fliege attraktiv oder abstoßend ist (Knaden et al. Cell reports 2012). Offensichtlich sind, wie beim Menschen, bestimmte Regionen des Insektengehirns für die Verarbeitung attraktiver und abstoßender Geruchsinformationen zuständig. Sind diese Regionen und ihre Funktion in anderen Drosophila-Arten konserviert oder sogar in einem Insekt mit einer völlig anderen Lebensgeschichte wie der Sphingidenmotte Manduca sexta?
Wir konnten kürzlich zeigen, dass der Nachtfalter M. sexta, der - ähnlich wie ein Kolibri - im Flug nach Nahrung sucht, schon aus der Ferne entscheidet, ob eine Blüte einen Besuch wert ist oder nicht. Die Entscheidung basiert auf einer Kosten-Nutzen-Analyse ("wie leicht kann ich den Nektar erreichen, und wie viele Kalorien gewinne ich?"), aber auch auf einer angeborenen Präferenz für den Geruch derjenigen Blüten, die den besten Gewinn versprechen (Haverkamp et al. Nature Communications 2016 und zur Pressemitteilung). Darüber hinaus haben wir eine Nase an der Zungenspitze der Motte gefunden, die das Tier über den aktuellen Wert einer Blüte informiert. So enthält z. B. eine Blüte, die erst kürzlich besucht wurde, nicht viel Nektar (Haverkamp et al. eLIFE 2016 und zur Pressemitteilung). Nachdem wir zwei Geruchssensillen an der Spitze des Rüssels identifiziert haben, die für dieses Verhalten verantwortlich sind, untersuchen wir nun den gesamten Rüssel auf seine sensorische Ausstattung.
3. Ethologischer Ansatz
Unser Hauptziel ist es, die olfaktorischen Schaltkreise zu verstehen, die das Verhalten von Insekten steuern. Daher benötigen wir Assays, die uns helfen, diese Verhaltensweisen zu beschreiben und zu quantifizieren.
Für die verschiedenen Fragestellungen haben wir spezifische Bioassays etabliert, wie einfache Fallen-Assays, Windkanäle, Balz-Assays und ein automatisiertes Hochdurchsatz-Verhaltensparadigma für Essigfliegen (Methoden). Wir sind derzeit dabei, zwei Techniken zu etablieren:
1. Verhaltensassays für gefesselte Flugfliegen, die es erlauben, Verhalten und Gehirnaktivität parallel zu analysieren.
2. Verfolgungssysteme für frei bewegliche Falter, um einen besseren Einblick in den Funktionsbereich von Pheromon- und Blütenfahnen zu erhalten.
Was das Verhalten von Insekten betrifft, ist die Wüstenameise Cataglyphis fortis sicherlich ein herausragendes Vorbild. Sie ist bekannt für ihre visuell geführte Navigation. Wir konnten jedoch bereits feststellen, dass die Ameisen neben visuellen Hinweisen auch olfaktorische Hinweise für viele Navigationszwecke nutzen (z. B. das Anpeilen einer Nahrungsquelle oder der Nestverbindung Bühlmann et al. Current Biology 2014 oder der Nestverbindung Bühlmann et al. Current Biology 2012). Pfadintegration kontrolliert Nestverfolgung bei Wüstenameisen. Current Biology, 22, 645-649, Verwendung von olfaktorischen Landmarken Bühlmann et al. Animal Behaviour 2015, für eine Übersicht siehe Knaden et al. Annual Reviews of Entomology 2016). Derzeit testen wir die Lernfähigkeit des Geruchsgedächtnisses der Ameisen. Wie viele gelernte Gerüche können sie sich merken und nach wie vielen Tagen verschwindet das Gedächtnis? Alle Experimente mit Wüstenameisen werden in den Sommermonaten an unserem Feldstandort in Tunesien durchgeführt.
Haben Sie Interesse, bei uns mitzumachen?
Wenn Sie Interesse haben, sich uns anzuschließen, kontaktieren Sie mich bitte unter mknaden(at)ice.mpg.de