Symbiotische Pilze verwandeln Terpene aus dem Fichtenharz in Lockstoffe für den Borkenkäfer
Die Pilzpartner setzen beim Abbau von Fichtenrinde flüchtige Verbindungen frei, die der Schädling durch spezialisierte Geruchssinneszellen wahrnimmt
Ein internationales Forschungsteam unter der Federführung des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie hat in einer neuen Studie nachgewiesen, dass der Borkenkäfer Ips typographus die von Pilzen verstoffwechselten Abbauprodukte pflanzlicher Abwehrsubstanzen als wichtige chemische Signale nutzt, wenn er Fichten befällt. Die Forschenden konnten darüber hinaus zeigen, dass die Insekten spezialisierte Geruchssinneszellen für das Aufspüren dieser flüchtigen Verbindungen besitzen. Die Stoffwechselprodukte der Pilze liefern vermutlich wichtige Hinweise für die Käfer über die Anwesenheit nützlicher Pilze, den Verteidigungsstatus der Bäume sowie die Populationsdichte ihrer Artgenossen. Die in der Zeitschrift PLOS Biology veröffentlichte Studie unterstreicht die Bedeutung der chemischen Kommunikation für die Aufrechterhaltung der Symbiose zwischen Borkenkäfern und ihren Pilzpartnern (PLOS Biology, Februar 2023, DOI: 10.1371/journal.pbio.3001887).
Die seit einigen Jahren beobachteten Massenausbrüche von Borkenkäfern haben in ganz Deutschland schockierende Ausmaße an Waldschäden verursacht. Wie das Statistische Bundesamt im Juli 2022 mittteilte, waren im Jahr zuvor mehr als 80% der Bäume, die gefällt werden mussten, von Insekten geschädigt. Das aufgrund von Insektenschäden eingeschlagene Schadholz betrug mehr als 40 Millionen Kubikmeter. Einer der Hauptschädlinge ist der Buchdrucker Ips typographus, der auch Großer Achtzähniger Fichtenborkenkäfer genannt wird. Der nur wenige Millimeter lange Käfer traf beispielsweise im Thüringer Wald und im Harz auf Fichten-Monokulturen, die durch hohe Temperaturen und anhaltende Dürreperioden bereits geschwächt waren, was eine Ausbreitung des Schädlings erleichterte und innerhalb von kurzer Zeit zum Absterben riesiger Waldbestände führte.
Dass die chemische Kommunikation beim Massenbefall der Borkenkäfer eine wichtige Rolle spielt, ist Forschenden schon länger bekannt. Die Käfer suchen sich zunächst einen geeigneten Baum aus und geben dann so genannte Aggregations- oder Versammlungspheromone ab. Diese Pheromone locken in der Nähe befindliche Artgenossen an, sich einem Massenbefall anzuschließen, der die Verteidigung des Baumes überwindet. Fichten, deren Abwehrkräfte durch verschiedene Stressfaktoren bereits geschwächt sind, fallen den Käfern leichter zum Opfer.
Borkenkäfer mögen den Duft ihrer Symbiose-Pilze
Fichtenborkenkäfer brauchen verbündete Pilze, um sich erfolgreich in den Bäumen vermehren zu können. Die Pilze sind Ektosymbionten, Symbiosepartner, die außerhalb der Käfer leben. Jede neue Käfergeneration muss ihre Symbiosepilze finden und zu einem neuen Wirtsbaum tragen.
Ein internationales Forschungsteam um Dineshkumar Kandasamy (inzwischen an der Universität Lund) und Jonathan Gershenzon vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena berichtet in einer neuen Studie, dass der Fichtenborkenkäfer seine Pilzpartner anhand der flüchtigen chemischen Verbindungen finden kann, die die Pilze beim Abbau von Fichtenharzbestandteilen freisetzen. „Wir hatten bereits zeigen können, dass mit den Borkenkäfern assoziierte Pilze, die auf einem Standardmedium gewachsen waren, für Borkenkäfer attraktiv waren. Nun wollten wir wissen, was passieren würde, wenn wir die Pilze auf einem natürlicheren Medium mit Fichtenrindenpulver wachsen ließen. Würde das die Käfer anlocken? Wenn ja, welche chemischen Verbindungen wären für die Attraktivität verantwortlich und woher stammten sie?“, erläutert Erstautor Dineshkumar Kandasamy die Ausgangsfragen der Studie.
Pilze wandeln die chemische Abwehr von Fichten in Lockstoffe für die Käfer um
Fichtenborkenkäfer sind mit Pilzpartnern verschiedener Gattungen assoziiert. Da der Pilz Grosmannia penicillata besonders gut auf dem Fichtenrindenmedium wuchs und mehr flüchtige Verbindungen produzierte als die meisten anderen getesteten Pilze, konzentrierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Untersuchungen auf diesen Pilz. Die Forschenden richteten spezielle Versuchsarenen ein, in denen sie testen konnten, ob die Käfer von flüchtigen Verbindungen, die von den Pilzen abgegeben wurden, angezogen werden. „Zunächst beobachteten wir, dass die Borkenkäfer von Duftstoffen angezogen werden, die von ihren Symbiose-Pilzen abgegeben werden, wenn die Pilze auf einem Medium mit Fichtenrindenpulver wachsen. Wir konnten allerdings auch zeigen, dass Pilze Terpenverbindungen aus Fichtenharz in sauerstoffhaltige Derivate umwandeln und dass einige dieser von Pilzen produzierten Stoffwechselprodukte für Borkenkäfer besonders attraktiv sind. Für uns war damit klar, dass diese flüchtigen Stoffe als chemische Signale dienen, die die Symbiose zwischen Borkenkäfern und den mit ihnen assoziierten Pilzen aufrechterhalten,“ fasst Dineshkumar Kandasamy zusammen.
Die Forschenden fanden auch heraus, dass krankheitserregende und somit für die Käfer schädliche Pilze ebenfalls Fichtenharzverbindungen verstoffwechseln können. Die dabei entstehenden Derivate sind allerdings, anders als die Stoffwechselprodukte der Symbiose-Pilze, für Borkenkäfer nicht attraktiv. Borkenkäfer können also mit ihrem Geruchssinn sehr gut erkennen, ob die anwesenden Pilze für sie gut oder schlecht sind. Besonders überrascht waren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, als die Verhaltensbeobachtungen ergaben, dass die Pilzpartner die Käfer nicht nur anlockten, sondern auch zum Tunnelbau stimulierten.
Borkenkäfer haben Geruchssinneszellen in ihren Antennen, die auf flüchtige Verbindungen aus dem Pilzstoffwechsel spezialisiert sind
Einen weiteren Beleg für die Bedeutung der chemischen Derivate aus dem Pilzstoffwechsel, die bereits von den Pilzen befallene Fichten für Borkenkäfer noch attraktiver machen, lieferten elektrophysiologische Untersuchungen zur Geruchswahrnehmung dieser Duftstoffe durch die Käfer. Dabei wurde die Reaktion einzelner Geruchssinneshaare auf den Käferantennen auf verschiedene Düfte getestet. Die Forschenden konnten zeigen, dass die Borkenkäfer bestimmte, in den Sinneshaaren beherbergte Geruchssinneszellen besitzen, die auf die Wahrnehmung von sauerstoffhaltigen Monoterpenen, die von den Pilzen abgegeben werden, spezialisiert sind.
„Vermutlich sind die symbiotischen Pilze von entscheidender Bedeutung, um den Angriff der Käfer zu unterstützen und den Befall zu verstärken. Die Pilze tragen dazu bei, den Wirtsbaum abzutöten, seine Abwehrkräfte zu überwinden, die Käfer mit Nährstoffen zu versorgen oder sie vor Krankheitserregern zu schützen. Mit ihrer Fähigkeit, Harzbestandteile, die eigentlich der Verteidigung der Bäume dienen, zu verstoffwechseln, liefern die Pilze den Käfern darüber hinaus wichtige Informationen darüber, welche Pilze bereits im Baum vorhanden sind, wo sie sich im Baum befinden und ob sie als Symbiose-Partner dienen können,“ sagt Jonathan Gershenzon.
Die Ergebnisse dieser neuen Studie könnten dazu beitragen, die Bekämpfung von Borkenkäferausbrüchen zu verbessern. Eine der meistangewandten Strategien im Kampf gegen diese Schädlinge sind Pheromonfallen, die sich allerding bei der Verhinderung der jüngsten Ausbrüche nicht mehr als wirksam erwiesen haben. Daher testen die Forschenden nun, ob sich diese Duftfallen optimieren lassen, wenn man sauerstoffhaltige Monoterpene aus dem Pilzstoffwechsel hinzufügt. Ein wichtiges Ziel für das Forschungsteam ist es, mehr über die Verstoffwechslung der Fichtenharzverbindungen in den Pilzen zu erfahren und herauszufinden, ob es sich dabei um eine Entgiftungsreaktion für den Pilz oder für den Käfer handelt.
Dineshkumar Kandasamys Forschung wird derzeit im Rahmen des Forschungsverbunds Max Planck Center next Generation Insect Chemical Ecology unterstützt, einer von der Max-Planck-Gesellschaft geförderten Kooperation des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie mit der Universität Lund und der Schwedischen Agrarwissenschaftlichen Universität. Das Max Planck Center möchte die Einflüsse der von Menschen verursachten Klimaerwärmung und Luftverschmutzung auf die chemische Kommunikation von Insekten untersuchen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur Schädlinge, sondern auch Bestäuber und ihre Ökosystemdienstleistungen sowie krankheitsübertragende Insekten.