Tabakschwärmer finden immer den richtigen Duft
Die Nachtfalter können in einem komplexen Gemisch von Düften wichtige von unwichtigen unterscheiden und so Nahrungsquellen und Wirtspflanzen für die Eiablage finden.
Ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie hat herausgefunden, wie Tabakschwärmer aus einem komplexen Geruchshintergrund die für sie wichtigen Düfte aufspüren. Der Geruchssinn versetzt sie in die Lage, nicht nur den intensiven Blütenduft von Nektarquellen wahrzunehmen, sondern auch den eher unauffälligen Duft ihrer Wirtspflanzen zu finden, auf denen die Raupen gedeihen. Die Forschenden zeigten dies anhand der spezifischen Aktivitätsmuster, die die Düfte im Gehirn der Falter auslösten. Das Erstaunliche dabei ist, dass Tabakschwärmer die Düfte trotz der Vielzahl der Hintergrunddüfte, die vor allem von vielen anderen Pflanzen abgegeben werden, sicher aufspüren können (eLife, doi: 10.7554/eLife.77429).
Als Nachtfalter sind Tabakschwärmer (Manduca sexta) vor allem auf ihren Geruchssinn angewiesen, wenn sie auf der Suche nach Blüten sind, die ihnen nährreichen Nektar verheißen, oder nach einer Wirtspflanze, auf der sie ihre Eier ablegen können. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat sich jetzt mit der Frage beschäftigt, wie diese Insekten in der Lage sind, in einer natürlichen Umgebung, in der es eine Vielzahl verschiedenster Düfte gibt, die für sie wichtigen von unwichtigen Düften unterscheiden zu können. „Unsere Fragestellung beruht darauf, dass die für den Tabakschwärmer lebenswichtigen Pflanzen, also Nektarquellen und geeignete Wirtspflanzen für ihren Nachwuchs, in ihrem natürlichen Lebensraum nur sehr spärlich anzutreffen sind. Offenbar werden sie aber trotzdem von den Faltern gefunden. Wir wollten wissen, ob das Geruchssystem auch schwache Düfte herausfiltern kann, wenn sie den Faltern Hinweise auf Nahrung oder Eiablageplätze liefern,“ sagt Sonja Bisch-Knaden, die Hauptautorin der Studie. Außerdem interessierten sich die Forschenden dafür, ob Tabakschwärmerweibchen, die bereits verpaart sind, für Blütendüfte weniger empfänglich sind und sich eher für die Düfte von Blättern interessieren, die für die Eiablage in Frage kommen. Dieses Phänomen ist bei anderen Faltern, wie der Baumwolleule Spodoptera littoralis, beobachtet worden.
Für ihre Experimente sammelten die Forschenden Düfte aus dem natürlichen Lebensraum der Tabakschwärmer im US-amerikanischen Bundesstaat Arizona, die in früheren Studien als wichtige Nektarquellen für die Falter oder Nahrungspflanzen für die Raupen beschrieben worden waren, wie zum Beispiel Blütendüfte von Agaven, Wilder Wunderblume oder Stechapfel. Aber auch die Düfte von verschiedenen Nachbarpflanzen wurden gesammelt, um möglichst viele Düfte, mit denen Tabakschwärmer in ihrem natürlichen Lebensumfeld konfrontiert sind, in die Untersuchungen einzuschließen. Dabei achtete das Forschungsteam darauf, Düfte aus der natürlichen Pflanzengemeinschaft zu sammeln, die bereits von Tieren angefressen oder durch den Wuchs benachbarter Pflanzen beeinträchtigt waren. Außerdem wurden die Düfte nur nachts, also dann, wenn auch die Tabakschwärmer aktiv sind, gesammelt. Auf diese Weise wollten die Forschenden dem natürlichen Zustand der Düfte, so wie ihn die Falter nachts erleben, möglichst nahekommen. Insgesamt wurden die nächtlichen Duftabgaben von 17 verschiedenen Pflanzen in den Experimenten verwendet.
Anschließend wurde die Wahrnehmung dieser Düfte auf der Ebene der Antenne, also dem Geruchsorgan der Falter, und dem Gehirn untersucht. Dafür führte das Team um Sonja Bisch-Knaden Experimente mit jungfräulichen und verpaarten Tabakschwärmerweibchen durch. Bei den physiologischen Untersuchungen wurde die elektroantennografische Erfassung der Antennenaktivität mit einem Gaschromatografen gekoppelt, der für die Analyse einzelner Düfte aus einem Duftgemisch eingesetzt wird. Außerdem wurden mittels Calcium-Imaging die Aktivitätsmuster der duftverarbeitetenden Neuronen im Hirn von Tabakschwärmern sichtbar gemacht, die verschiedenen Düften ausgesetzt worden waren.
“Die wichtigsten Nektarquellen, wie Agaven- und Stechapfelblüten, geben einen starken Duft ab, auf den die Antenne und das Gehirn von Tabakschwärmerweibchen auch stärker als auf jeden anderen Duft reagieren. Hier scheint die Identifikation des Blütendufts einfach zu sein. Dies gilt sowohl vor als auch nach der Verpaarung, da die wenigen Wirtspflanzen der Raupen weit verstreut im Lebensraum vorkommen, und das eierlegende Weibchen daher lange Strecken zurücklegen und seine Energiereserven immer wieder auffüllen muss. Die Eiablagepflanzen haben dagegen nur einen sehr schwachen Duft, von dem einzelne Duftkomponenten aber trotzdem von der Antenne erkannt werden. Die Aktivitätsmuster, die diese Düfte im Gehirn hervorrufen, unterscheiden sich sehr deutlich von den Aktivitätsmustern anderer Pflanzendüfte. Dieser Unterschied wird nach der Verpaarung noch größer, da das Weibchen dann den Geruch der anderen Pflanzen, die für die Eiablage nicht in Frage kommen, praktisch nicht mehr wahrnimmt. Wie das Auffinden der Wirtspflanzen in der Natur allein aufgrund ihres Geruchs möglich ist, ist trotzdem schwierig zu erklären, da die Pflanzendüfte ja nicht getrennt wahrgenommen werden können, wie in unserer Studie, sondern immer miteinander vermischt sind,“ erläutert Sonja Bisch-Knaden.
Die Raupen von Tabakschwärmern sind auf sehr wenige Wirtspflanzen, darunter die Blätter des Stechapfels Datura wrightii und des Teufelshorns Proboscidea parviflora (benannt nach den gehörnten Samenkapseln) spezialisiert. Diese Pflanzen kommen im natürlichen Lebensraum der Tabakschwärmer nur sehr vereinzelt vor. Die Düfte, die von diesen Wirtspflanzen abgegeben werden, enthalten keine besonderen Moleküle, sondern Duftkomponenten, die auch in unzähligen benachbarten Pflanzenarten zu finden sind. Es ist aber das pflanzentypische Mischungsverhältnis der Düfte, das offenbar entscheidend dafür ist, dass die Falter ihre Eiablagepflanzen dennoch treffsicher aufspüren.
Sonja Bisch-Knaden und ihr Team möchten jetzt zum Vergleich verwandte Schwärmerarten untersuchen. Obwohl diese Falter aus den gleichen Blüten Nektar trinken, wachsen ihre Larven auf jeweils unterschiedlichen Wirtspflanzen. In den Experimenten reagierten die Tabakschwärmerweibchen nach der Verpaarung sogar stärker auf die Düfte von Wirtspflanzen dieser anderen Schwärmerarten als vor der Verpaarung: auf einen wilden Wein, der die Wirtspflanze der Raupen der Achemon-Sphinxmotte ist, und die Zweige des Trompetenbaums Chilopsis linearis, der als Wirtpflanze für die Schwärmerart Manduca rustica dient. „Wir haben diesen Befund als eine Art Stoppsignal für die Eiablage interpretiert. Jetzt wäre es interessant zu untersuchen, wie die Aktivitätsmuster im Gehirn der anderen Schwärmerarten aussehen, wenn sie mit denselben Pflanzendüften stimuliert werden, die aber eine andere Bedeutung für das untersuchte Tier haben,“ meint die Forscherin.
Im Laufe der Evolution sind in Folge von Anpassungen auf die Verteidigungsmechanismen von Pflanzen unglaublich viele verschiedene Insektenarten entstanden. Bei der Artbildung spielt die chemische Kommunikation in Form von Sexualpheromonen eine wichtige Rolle. Eine Änderung dieses für die Partnersuche so wichtigen Signals, kann ein wichtiger Isolationsmechanismus sein, wenn neue Arten entstehen. Die Spezialisierung auf bestimmte Wirtspflanzen, die mit einer Anpassung an die Pflanzenabwehr verknüpft ist, geht bei so sensiblen Riechern wie Nachtfaltern selbstverständlich auch mit einer Vorliebe für den Duft dieser Pflanzen einher. Eine Abneigung gegen den Duft von Pflanzen, an denen Konkurrenten fressen, ist daher nicht verwunderlich. Studien wie diese tragen dazu bei, die komplexen chemischen Wechselwirkungen zwischen Pflanzendüften und der Vielzahl der Insekten, die mit diesen Pflanzen interagieren, besser zu verstehen.